Der europäische Gerichtshof hat am 20. Dezember 2017 ein wichtiges Urteil zu grenzüberschreitenden Gewinnausschüttungen deutscher Unternehmen an Muttergesellschaften in anderen europäischen Ländern erlassen. Die berüchtigte § 50d Abs. 3 EStG-Regelung zur Missbrauchsbekämpfung ist den Unternehmen seit Jahren ein Dorn im Auge. Aufgrund dieser Bestimmung zur Missbrauchsbekämpfung gewähren die deutschen Steuerbehörden häufig keine vollständige Freistellung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer bei Gewinnausschüttungen in Mutter-Tochter-Situationen.
Kapitalertragsteuer in Deutschland: Die europäische Mutter-Tochter-Richtlinie
Auf europäischer Ebene wurden Vereinbarungen über grenzüberschreitende Gewinnausschüttungen getroffen. Eine Gewinnausschüttung einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ist vom Quellensteuerabzug befreit, wenn gewisse Voraussetzungen gegeben sind. Diese Vereinbarungen sind in der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie geregelt. Die Muttergesellschaft muss beispielsweise mindestens eine 10%-ige Beteiligung an der Tochtergesellschaft halten. Die EU-Mitgliedstaaten können Ausnahmen von dieser Richtlinie vorsehen um Steuerhinterziehung und Missbrauch zu bekämpfen.
Kapitalertragsteuer in Deutschland: Das Urteil des europäischen Gerichtshofes
Der Europäische Gerichtshof hat am 20. Dezember 2017 ein Urteil (EuGH, 20.12.2017, AZ C-504/16, AZ C-613/16) zu der § 50d Abs. 3 EStG-Regelung erlassen. In den Fällen der Deister Holding AG (vormals Traxx Investments N. V.) und der Juhler Holding A/S verwehrte das Finanzamt in beiden Fällen die Freistellung der Gewinnausschüttungen aufgrund des zu der Zeit geltenden Wortlauts der § 50d Abs. 3 EStG-Regelung.
Kapitalertragsteuer in Deutschland: Der Fall Deister Holding AG
Im Falle der Deister Holding AG (C-504/16) hat die niederländische Holdinggesellschaft Traxx Investments N.V. eine Beteiligung von 26,5 % an der deutschen Tochtergesellschaft (Deister electronik GmbH). Der Anteilseigner hatte seinen Wohnsitz in Deutschland. Das Finanzamt versagte eine Erstattung der Kapitalertragsteuer unter Hinweis auf § 50d Abs. 3 EStG. Nach der Auffassung des Finanzamtes bestand die Wirtschaftstätigkeit der Traxx Investments N.V. ausschliesslich darin, Beteiligungen an mehreren in verschiedenen Staaten niedergelassenen Gesellschaften zu halten und lagen ansonsten keine wirtschaftliche oder sonstige relevanten Gründe vor, die eine Zwischenschaltung der Traxx Invesmtents B.V. zwischen der deutschen Beteiligung und dem Anteilseigner in Deutschland rechtfertigen.
Kapitalertragsteuer in Deutschland: Der Fall Juhler Holding A/S
Die Juhler Holding A/S ist eine in Dänemark ansässige Holdinggesellschaft, die Anteile an der deutschen temp-team Personal GmbH hält. Die Aktivitäten der Juhler Holding A/S umfassen das Halten von Beteiligungen, die Verwaltung des Vermögens der Unternehmensgruppe und die Verwaltung von Immobilien. Darüber hinaus verfügt sie weder über eigene Büroräume oder eigenes Personal (mit Ausnahme des Geschäftsführers). Auch hier versagte das Bundeszentralamt für Steuern die Erstattung von Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge an die Juhler Holding A/S aufgrund von § 50d Abs. 3 EStG wegen mangelnder Wirtschaftstätigkeit(en) und Substanz in der Holding.
Kapitalertragsteuer: § 50d Abs. 3 EStG verstösst laut EuGH gegen EU-Recht
Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes behindert die § 50d Abs. 3 EStG-Regelung die Niederlassungsfreiheit und ist sie mit dem Ziel der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie, d. h. der Vermeidung einer Doppelbesteuerung von Gewinnen, unvereinbar. Eine im europäischen Ausland ansässige Muttergesellschaft, die eine Beteiligung an einer deutschen Tochtergesellschaft hält, ist mit der strengen deutschen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift konfrontiert. Dies führt häufig zur Versagung der Freistellung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer, da eine missbräuchliche Rechtsgestaltung oder künstliche Konstruktion vermutet wird. Eine gebietsfremde Muttergesellschaft wird damit gegenüber einer gebietsansässigen Muttergesellschaft in einer vergleichbaren Situation benachteiligt. Die deutsche Muttergesellschaft unterliegt dieser Regelung bei der Gewinnausschüttung einer in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaft nicht. Das EuGH ist der Auffassung, dass § 50d Abs. 3 EStG zu allgemein sei und weiter gehe als notwendig um Steuerumgehung und Missbrauch zu bekämpfen. Die deutsche Regelung ist somit nicht Europarechtskonform.
Kapitalertragsteuer Deutschland: Folgen für die Praxis Niederlande-Deutschland
§ 50d, Abs. 3 EStG wurde inzwischen mehrfach angepasst und sieht nun vor, dass eine Holdingstruktur die Steuerumgehung beabsichtigt, wenn:
- dem Anteilseigner der Holdinggesellschaft, die die Gewinnausschüttung erhält, die Freistellung oder Erstattung selbst nicht zustände, wenn er die Ausschüttungen unmittelbar von der deutschen Tochtergesellschaft erhalten würde;
- die Holding selbst kein materielles Unternehmen betreibt, sondern nur verwaltende Tätigkeiten verrichtet bzw. nur aus steuerlichen Gründen gegründet wurde (zum Beispiel um unversteuert Gewinne ausschütten zu lassen).
Das neue DBA Niederlande-Deutschland sieht vor, dass eine reguläre niederländische Holdungstruktur von der deutschen Finanzbehörde nicht mehr als missbräuchliche Rechtsgestaltung oder „künstliche Konstruktion″ angesehen werden kann, vorbehaltlich des Gegenbeweises durch das Finanzamt. Deutschland kann aufgrund des DBA Niederlande-Deutschland maximal 5% Quellensteuer auf eine Gewinnausschüttung, die von der deutschen Gesellschaft an die niederländische Holdinggesellschaft gezahlt werden, einbehalten.
Bisher wurde eine Senkung auf 0% abgelehnt, weil die oben genannte Bestimmung des niederländisch-deutschen Steuerabkommens nicht auf den 0%-Satz der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie Anwendung finden würde. Unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-504/16 C-613/16 EuGH vom 20.12.2017 müsste Deutschland jedoch in Fällen, die unter die europäische Mutter-Tochter-Richtlinie fallen, eine vollständige Freistellung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer gewähren. Der Europäische Gerichtshof prüft derzeit auch die aktuelle Regelung des § 50d Abs. 3 Einkommensteuergesetz, die zuletzt 2012 geändert wurde und weniger streng ist als die Regelung vor 2012. Wir gehen davon aus, dass der Europäische Gerichtshof zu demselben Ergebnis kommt, aber ein endgültiges Urteil steht noch aus.
Haben Sie Fragen zu unseren Dienstleistungen? Füllen Sie einfach unser Kontaktformular aus. Unsere deutschsprachigen Berater werden sich umgehend mit Ihnen in Verbindung setzen.